Der Hecht drehte sich auf die Seite, so, als wolle er uns mit seinem linken Augen noch einmal ganz genau ansehen. Dann glitt er wie in Zeitlupe wieder in die Tiefen des Ernes hinab.
Irgendwie war ich erleichtert. Ich hatte zwar kein Trophäenfoto, aber dafür die Gewissheit, dass dieser tolle Fisch noch lebte. Und das war ein gutes Gefühl.
Wir sind dann wieder zurück auf unser Boot und haben an diesem Abend noch lange über dieses außergewöhnliche Erlebnis erzählt. Matteo war voll begeistert, dass sein Papa bislang den größten Fisch an der Angel hatte.

Am vorletzten Tag unserer Reise sind wir bis Haughtons Shore gefahren. Eine ziemlich lange Strecke, aber wir hatten uns schon auf der Hinfahrt vorgenommen zu diesem wirklich schönen Hafen zurück zu kehren. Jetzt wollten wir da auch übernachten.
Die Jungs fanden die Idee auch gut ("Ist das da, wo wir die Barsche gefangen haben?").
Außerdem freuten wir uns auch auf die Schleusen.

Bei Lock #1 saß Joki am Ruder. Er ließ Matteo und mich am Anleger raus und wir gingen hoch zum Schleusenbedienpult.
Wir mussten erst das Wasser aus der Schleuse heraus lassen und öffneten dann ein paar Minuten später die Tore. Joki und Niclas konnten jetzt mit der Penichette iin die Schleuse einfahren.

Aber es kam niemand.

Da wir vom Bedienpult aus das Boot nicht sehen konnten, wussten wir allerdings nicht, warum.
Bekam Joki den Motor nicht an?
War er eingeschlafen oder war er gerade bei der Verrichtung eines dringenden menschlichen Bedürfnisses?
Gerade als Matteo und ich nachschauen wollten, bog die Penichette in die Schleuse ein.

Ich sah Joki und ich sah sein breites Grinsen. Und dann, als  ich auf die Heckterrasse schauen konnte, sah ich den Grund für die verzögerte Einfahrt: Joki hatte mal wieder einen tollen Hecht gefangen. Während er drauf wartete, dass die Schleusentore für seine Einfahrt geöffnet wurden, hat er vom Boot aus ein paar mal geblinkert. Und mal wieder Glück gehabt.

Joki, the Pike Killer.

Dieses mal wurde der Fisch auch tatsächlich gekillt. Die Jungs wollten unbedingt Hecht zum Abendessen.
Dieser Wunsch wurde befolgt und so gab es abends 'Brochet au Citron' aus dem Ofen.

 


 

Irgendwie kam aber beim Essen keine richtige Begeisterung auf. Der Geschmack war fad und die Konsistenz des Fischfleisches erinnerte ein wenig an Gummi.
Na ja, muss es ja auch nicht jeden Tag zum Essen geben.

Am nächsten Morgen wurde ich wieder ziemlich früh wach. Die Sonne war gerade dabei aufzugehen. Im Zwielicht schaute ich zu meinem Sohn Matteo, der in der Nacht wieder mit seinem Bettzeug zu mir ins Bett gekrochen war.

Er schlief friedlich.
Wie immer lächelte er im Schlaf.

Es war Freitag, der letzte Tag auf unserer Bootstour. Schon mit etwas Wehmut dachte ich an die letzten neun Tage zurück und ging noch einmal in Gedanken die gesamte Fahrt durch. Ich dachte an diese fantastischen Landschaftsbilder, an die friedvolle Ruhe auf dem Wasser, an die glücklichen Kinderaugen unserer Söhne, die von unserer Abenteuerfahrt restlos begeistert waren. Und nicht zuletzt dachte ich auch an die leckeren Mahlzeiten, die Joki für uns jeden Tag gekocht hat.
Wie gerne hätte ich verlängert.
Matteo muss meine Gedanken gespürt haben. Plötzlich machte er die Augen auf, sah mich an und fragte sofort: "Ist das heute unser letzter Tag?"
"Ja"
"Schade", meinte Matteo.

"Komm, lass uns aufstehen und es heute noch einmal richtig krachen lassen", sagte ich, sprang aus meinem Schlafsack raus und in die Jogginghose hinein, warf den Nanny Diesel an und ging nach draußen um die Leinen los zu machen.

Joki und Niclas haben von all dem nichts mitbekommen. Sie schliefen noch tief und fest als unsere Penichette bereits majestätisch über den Garradice Lough glitt.

Ich saß am Steuer, Matteo mampfte die erste Portion Choco Pops des Tages.
Das Leben ist schön.

 

 

 

 

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