***

 "Komm raus, du Hurensohn, du bist umzingelt. Ergib dich!" 

 Erschrocken löste ich mich aus der Umarmung mit Lady Bridget, drehte
 mich in die Richtung aus der ich die Stimme vernommen hatte und blickte
 aus dem kleinen Rundbogenfenster des Crichton Towers in östliche
 Richtung.

 Ich sah mehrere Ruderkähne, die vielleicht 20 oder 30 yards entfernt vom
 Ufer lagen.

 Dunkle Gestalten hielten brennende Pechfackeln in der Hand und
 erleuchteten den Abendhimmel. Die Fackelträger trugen Kutten mit
 Kapuzen unter denen sie ihre Gesichter versteckten. Aber dass es sich
 hier nicht um harmlose Mönche handelte, erkannte ich sofort an den
 schweren Schwertgriffen, die seitlich aus den Kutten ragten.

 Und auch ohne dass man die Gesichter erkennen konnte, wusste ich
 sofort, wessen Männer da unten das bizarre Feuerspiel auf dem braunen
 Wasser des Upper Lough Erne veranstalteten.

 Lady Bridget war ebenfalls zum Fenster gekommen und hatte ihre
 schlanken Arme von hinten um meine Hüften gelegt. Ich spürte ihren
 zarten Atem, als sie ihre Lippen an mein rechtes Ohr drückte.

 "Ist Er das?" hörte ich leise die Stimme der schönsten Frau, die ich
 jemals zu Gesicht bekommen hatte, hinter mir sagen.

 "Ja", sagte ich, "und diesmal will er uns töten".

 "Rettet euch. Ihr alleine könnt es schaffen!"

 "Nein, Bridget, niemals gehe ich ohne euch."

 "Dann lasst uns kämpfen, so,  wie wir es immer getan haben und wie es
 unserer Liebe gebührt." 

 "Kommt jetzt heraus. Alle beide!", hörte ich erneut die Stimme von
 Thomas Cromwell, meinem Erzfeind. "Ergebt euch und ich werde euer
 schäbiges Leben schonen."

 Im gleichen Augenblick  schoss ein Pfeil an unseren Köpfen vorbei und
 bohrte sich hinter uns in die massive Holztür, die auf die Zinnen des
 Towers führte.

 "Ist das etwa die Art, wie Ihr unser Leben schonen wollt?" rief ich nach 
 draußen und schob Lady Bridget zur Seite, damit sie nicht von einem
 möglichen zweiten Pfeil doch noch getroffen würde.

 
"Ja, lasst uns kämpfen," sagte ich dann leise zu meiner Angebeteten, 
 "ich habe auch schon einen Plan, wie wir uns retten können."

 ***

 In dieser Nacht konnte ich einfach nicht einschlafen. Die Eindrücke des ersten
 Tages gingen mir ständig im Kopf umher.

 Einerseits war ich total glücklich, dass die gesamte Familie so einen tollen
 Einstieg hier in Irland hatte. Andererseits, jetzt brauchte nur mal ein, zwei Tage
 schlechtes Wetter kommen und die Stimmung würde vielleicht kippen.

 Aber soll ich euch was sagen, ... es kam kein schlechtes Wetter. Ganz im
 Gegenteil: am nächsten Morgen stand ich schon ziemlich früh auf, schob die
 Gardine an meiner Koje bei Seite und blickte in einen strahlend blauen Himmel.

 Es war einfach fantastisch.
 Keine einzige Wolke und dazu noch ein spiegelglatter See.

 Trotz zwei Flaschen Cabernet Sauvignon am Abend und nur wenigen Stunden
 Schlaf war ich urplötzlich hell wach und absolut klar in der Rübe. Schnell stand ich
 auf, sprang in meine Jeans, riss die beiden Schiebetüren des Salons auf und ging
 nach draußen.

 Wie Tarzan im Film trommelte ich mit beiden Fäusten auf meine Brust. Aus
 Rücksicht auf die Nachbarn in einer Barge unterließ ich aber den typischen
 Dschungelschrei.

 Ich nahm meine Angelroute und blinkerte in alle möglichen Himmelsrichtungen.
 Gefangen, habe ich natürlich nichts. Das wäre dann aber des Guten auch einfach
 zuviel gewesen. Ich packte die Rute also wieder weg und beschloss, für die
 Familie ein leckeres Frühstück zu bereiten.

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