***

 'Thomas hat uns jetzt bestimmt schon für vogelfrei erklärt', sagte ich zu
 Lady Bridget.

 'Ja, es gibt keinen Weg mehr zurück', antwortete sie und rieb sich den
 rechten Knöchel, den sie sich bei dem Sprung aus dem Schlossfenster
 leicht verstaucht hatte.

 Ich zog mein Hemd aus, tränkte es im kühlen Seewasser und legte Lady
 Bridget einen provisorischen Verband an, damit der Knöchel nicht weiter
 anschwoll.

 Als ich ihren Fuß vorsichtig absetzte, griff sie meine Schulter und drehte
 mich zu sich herum. Unsere Blicke trafen sich und ein Gefühl von tiefer
 Zuneigung nahm von mir Besitz. Lady Bridget senkte den Kopf zu mir,
 hauchte leise 'danke für alles' und lächelte mich mit dem schönsten
 Lächeln, das ich bisher in meinem Leben gesehen hatte, an. Langsam
 kamen ihre Lippen den meinen immer näher, bis sie sich endlich
 berührten und wir uns leidenschaftlich küssten. Sollte Thomas mich
 morgen von mir aus töten, heute Nacht würde ich ihm jedenfalls allen
 Grund dazu geben.

 ***

 In Enniskillen sind die drei Mädels dann im Einkaufszentrum shoppen
 gegangen. Sie haben sich regelrecht schick gemacht und wähnten sich
 wieder in der zivilisierten Welt.

 Matteo und ich haben derweil unsere Angelruten klar gemacht.

 Da fing es kräftigst an zu regnen. Ein richtiger Wolkenbruch ist über uns
 hernieder gegangen. Halbwegs geschützt saßen Matteo und ich auf der
 überdachten Terrasse unserer Penichette 1120 Cor na Coille.

 Normalerweise beißt ja bei Regen kein Fisch. Aber Matteo hatte noch
 eine gute Portion von seinem Anfütterungszeug und die Fische bissen im
 Sekundentakt. Es versteht sich von selbst, dass Matteo - schön im
 Trockenen sitzend - die Fische gefangen und gelandet hat. Ich musste
 sie vom Haken lösen und dann wieder vorsichtig ins Wasser zurück
 setzen. Das ging so 30 bis 40 mal, ich war dann langsam aufgeweicht
 und Matteo hatte jetzt auch Hunger und wollte dann Fernsehen. Ach, ist
 das für einen Vater ein Glücksgefühl, wenn die lieben Kleinen glücklich
 und zufrieden sind.

 Irgendwann hörte der Regen wieder auf und die Mädels kamen mit vielen
 bunten Tüten bepackt von ihrer Einkaufstour zurück.

 Gerne ließ ich mir die ganzen super günstigen Schnäppchen vorführen
 und ließ mir gerne auch von Anna erklären, warum sie jetzt auch noch
 diesen Haarreifen unbedingt gebraucht hatte. Die anderen der in ihrem
 Besitz befindlichen waren ja auch bestimmt schon alt und abgenutzt.
 Ähnlich war es bei Brittas Tasche ('Hey, das ist ein super Rucksack, so
 einen habe ich mir schon immmmmer gewünscht!').

 Irgendwann war die letzte Tüte ausgepackt und jedes Teil eingehend
 besprochen.

 'Matteo', rief ich, 'jetzt sind wir dran mir shoppen'.
 
'Fahren wir in den Angelladen und gehen Anfütterzeug kaufen, Papa?'.
 'Klar', sagte ich, 'wir fahren mit dem Dingi hin'.

 Männer sind eben umkompliziert!

 Ostern hatte ich am Cloonatrig-Jetty einen Monsterhecht gehakt, aber es
 auch nach einigen Versuchen nicht geschafft, den Burschen auch im
 Kescher zu landen.

 

 Ich bildete mir nun ein, dass der Hecht jetzt noch an der gleichen Stelle saß und
 zum finalen Showdown auf mich wartete. Als ich dies Britta erzählte, fing sie an zu
 lachen und meinte nur, ich sei als Mann nicht nur unkompliziert, sondern wohl
 auch ziemlich einfach gestrickt.

 Keine Ahnung, was sie damit gemeint hat.

 

 

 Als wir um die Ecke bogen und ich den berüchtigten Anleger erspähte, sah ich,
 dass dort zwei Angler ihre Grundangeln ausgelegt hatten.

 Voller Hektik bin ich denen voll über die Schnüre gefahren, habe in einer
 Ruckzuck-Aktion das Boot angelegt, schnell die Rute mit dem 85gr-U-Boot-Blinker
 geschnappt, bin an den Anglern vorbei zum Ende des Steges gerannt und habe
 sogleich den Blinker mit vollem Karacho in Richtung der Stelle gejagt, wo ich
 damals den Hecht gehakt hatte.

 Ich war mir hundertprozentig sicher, der Kerl würde noch da sitzen und sogleich
 beim ersten Wurf wieder zuschnappen.

 Aber da hat nix geschnappt.

 Dafür flog mein 85gr-U-Boot-Blinker beim Ausholen verdächtig oft verdächtig nahe
 über den Köpfen der beiden Angler vorbei. Höflich, wie die Iren nun mal sind, haben
 sich die Jungs aber nicht bei mir beschwert, sondern haben es vorgezogen, eiligst
 ihre Sachen zusammen zu packen und so schnell wie möglich das Weite zu
 suchen. 'Crazy Germans', hörte ich mit einem Ohr den einen von beiden murmeln.

 Als sie weg waren habe ich direkt mit dem nächsten Wurf einen kapitalen Hänger
 gehabt und den 85gr-U-Boot-Blinker, beim Versuch ihn zu lösen, in den Tiefen des
 Ernes verloren.

 Egal, der hatte eh versagt…

 

 

>>>>>> nächste Seite >>>>>